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"Ein nachhaltiges Leben stärkt und macht glücklich": Interview mit Markus Szaguhn zu seiner anstehenden Promotion

Markus Szaguhn

Markus Szaguhn (Foto: KEA-BW / AMX Studio)

Die KEA-BW stellt Berufe im Klimaschutz vor / Interview mit Markus Szaguhn

Markus Szaguhn sagt, er möchte nachhaltig leben – auch wenn das nicht immer einfach ist.  Diesen Lebensstil empfindet er nicht als Entbehrung. Er mache ihn zufrieden und gebe ihm Kraft, sagt er. Folgerichtig widmete Markus seine berufliche Energie in den letzten Jahren einem zentralen Thema: dem Klimaschutz.

Wir fragten ihn, wie er zur KEA-BW kam, was ihm dort besonders gefiel. Außerdem wollten wir wissen, wohin ihn sein Weg nach dem Abschied und mit der nun anstehenden Doktorarbeit führen wird.

Beate Schade:

Markus, kannst Du Dich erinnern, wann Du Dir das erste Mal ernsthaft Gedanken über Umwelt- oder Klimaschutz gemacht hast, die Deinen beruflichen Weg beeinflussten?

Markus Szaguhn:

Ökologische Themen haben mich eigentlich immer bewegt. Als Kind war ich oft draußen und ich liebe auch heute noch den Wald. Nach der Realschule führte mich mein Weg zuerst über eine Ausbildung zum Technischen Zeichner in die Papierindustrie. Dort lernte ich praktischen Maschinenbau – das hat mir viel Spaß gemacht. Fast täglich lieferten dort aber lange Züge Baumstämme und Zellstoff aus Skandinavien an. Diese Stapel sehe ich heute noch vor mir. Da habe ich mich schon gewundert, ob das alles so nachhaltig ist.

Also hast Du einen anderen Weg eingeschlagen.

Ja, ab 2010 studierte ich dann Maschinenbau mit Schwerpunkt Energietechnik und machte einen technisch-wirtschaftlichen Master, wo ich mich auch mit dem internationalen Vertrieb befasste. Ich wollte mich für die Energiewende einsetzen. Während des Studiums war ich erstaunt, dass fossile Technologien noch immer so gelehrt wurden, als hätten sie eine Zukunft in unserem Energiesystem. Auch die Diskussionen über Fukushima und die Nutzung der Atomenergie in dieser Zeit waren sehr kontrovers und haben mich geprägt.

Wie ging es nach dem Studium weiter?

Zunächst nahm ich 2016 einen Dozentenauftrag an der Hochschule Konstanz Technik Wirtschaft und Gestaltung (HTWG) im Fachbereich Nachhaltige Ökonomie an. Dort entwickelte ich das transformative Lern- und Lehrformat #climatechallenge mit. Die Vorlesungen – die eigentlich eher interaktive Workshops sind – setzen im Kern auf persönliche Veränderungsexperimente hin zu mehr Klimaschutz im Alltag. Es geht darum, etwa „30 Tage ohne Auto“ oder „30 Tage vegan“ zu leben, die Erfahrungen bei der Durchführung zu reflektieren und wissenschaftlich zu dokumentieren. Die Teilnehmenden werden dabei auf Probleme aufmerksam, die aktiven Klimaschutz behindern, etwa ein unzureichendes Radwegenetz oder fehlendes klimafreundliches Mensaessen. Daraus erwachsen konstruktive Ansätze für Veränderungen und politisches bzw. zivilgesellschaftliches Engagement – das für mich einen wichtigen Teil eines nachhaltigen Lebensstils darstellt.

Wie kamst Du dann zur KEA-BW?

Die Arbeit an der Hochschule und im Team #climatechallenge war toll und vor allem sinnvoll. Das wollte ich weitermachen. Mein Wunsch war es aber auch, als Ingenieur aktiv zu werden um das Wissen aus dem Studium wirksam für den Klimaschutz einzusetzen. Im Sommer 2017 bewarb ich mich dann bei der KEA-BW.

Das hat offensichtlich geklappt. Welche Aufgaben hattest Du hier?

Ich hatte das Glück, mich in verschiedenen Bereichen der KEA-BW einbringen zu können. Zunächst übernahm ich die Landesgeschäftsstelle des European Energy Award (kurz: eea) für ein Jahr. Das ist ein gutes Instrument, das Kommunen den Einstieg in den systematischen Klimaschutz erleichtert. Man muss aber ehrlich zugeben: Auch eine eea Gold-Kommune ist noch nicht beim Klimaziel von Paris angelangt.

Was müsste Deiner Ansicht nach passieren, um beim Klimaschutz wirklich voranzukommen?

Alle Maßnahmen, die wir heute Klimaschutz nennen, müssen wir schonungslos auf ihre Wirkung analysieren. Ein Projekt, das wir heute anstoßen, aber das zum Beispiel nur 60 statt annähernd 100 Prozent Treibhausgase einspart, reicht einfach nicht. Auch wenn die Intention gut ist, wird es de facto eine Altlast fürs Klima.

Wir müssen auch erkennen, dass unsere Entscheidungen heute durch Rahmenbedingungen geleitet werden, die auf anderen Ebenen festgelegt werden. Wir fahren beispielsweise nicht mit dem Rad, wenn wir uns inmitten der vielen Autos und Lastwagen unsicher fühlen. Da können Kommunen mit nachhaltigen Mobilitätskonzepten sehr viel erreichen. Ein anderes Beispiel sind Förderprogramme, die den weiteren Einsatz von fossilen Heizsystemen unterstützen: So werden die Gebäude bei der Sanierung nicht vollständig decarbonisiert. Auf nationaler Ebene brauchen wir einen wirksamen CO2-Preis, der so hoch angesetzt ist, dass er Lenkungswirkung entfaltet. Sehr wichtig ist dabei für mich, dass das Ganze sozial verträglich ungesetzt wird – dafür gibt es bereits interessante Ansätze.

Wie ging es bei der KEA-BW weiter?

Mein Schwerpunkt verschob sich in den Bereich Contracting. Begeistert hat mich die Kampagne zur Sanierung der Straßenbeleuchtung mit dem Titel „Effizienz in neuem Licht“, die ich vorangetrieben habe. Die Energiedienstleistung Energiespar-Contracting ermöglicht Kommunen, ihre Beleuchtung nahezu ohne eigene Investitionen auf den neuesten Stand zu bringen. Gerade kleinere und mittlere Kommunen können davon stark profitieren. Die flächendeckende Umrüstung auf LED bietet ein riesiges Einsparpotenzial, mit der sich ein Energiedienstleister refinanzieren kann und der kommunale Haushalt und das Personal im Bauamt wird entlastet – es ist eine Win-Win-Situation. Dass die KEA-BW so passgenaue Lösungen vermittelt, zeichnet sie aus.

So, nun Butter bei die Fische, Markus (das ist norddeutsch und bedeutet: Lass die Katze aus dem Sack): Warum willst Du uns verlassen?

Die KEA-BW schätze ich nach wie vor. Dennoch will ich mich jetzt ganz meiner Doktorarbeit am Karlsruher Institut für Technologie widmen. Sie knüpft an meine Vorarbeiten an der Hochschule Konstanz an. Mit meinem inter- und transdisziplinären Ansatz untersuche ich im Reallaborkontext mit den vorhin genannten Veränderungsexperimenten das Klimaschutzhandeln der Teilnehmenden. Da gibt es spannende Bezüge zur transformativen Forschung, zur Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) und zur Engagementforschung. Besonderes Interesse richte ich auf die Frage, wie sich der Übergang von nachhaltigem Handeln im Privaten hin zu gesellschaftlichem Engagement unterstützen lässt (ich nenne es Footprint-Handprint-Gap). Wenn wir unsere Lebensgrundlagen erhalten wollen, brauchen wir Menschen, die heute Verantwortung übernehmen. Sie müssen mit Kompetenzen ausgestattet sein, um die Rahmenbedingungen verändern zu können: in Vereinen, in Unternehmen, in den Kommunen und auf höheren politischen Ebenen etwa.

Das klingt nach einem großen Ziel. Wie sieht es zu Hause mit der Nachhaltigkeit aus?

Ich esse mittlerweile weitgehend vegan, bin lieber mit dem Rad als dem Flugzeug unterwegs, ich habe kein eigenes Auto, beziehe Ökostrom und ich habe zu einer ökologischen Bank gewechselt. Die eigenen Werte auch tatsächlich zu leben nehme ich persönlich nicht als negativen Verzicht wahr. Das befürchten ja viele Menschen, wenn sie den Begriff Suffizienz hören. Auch die Auswertung der vielen Erfahrungsberichte der Teilnehmenden in den #climatechallenges zeigt: Möglichst klimafreundlich zu leben und vor allem auch, sich mit anderen zusammen für die Veränderung zu engagieren, stärkt und ja: Es macht glücklich.

Ein Wort zum Schluss: Was empfiehlst Du den ganz jungen Klimaschutz-Pionieren, wie sollen sie ihre Energie am sinnvollsten einsetzen?

Die sind doch so aktiv wie nie! Ich denke die Jugend braucht keine Tipps, denn sie haben für eine große Dynamik im Klimaschutz gesorgt. Es sind doch jetzt auch die etwas Älteren gefragt, die in ihren Berufen bereits viel Erfahrung gesammelt haben und wissen wo’s klemmt. Sie sollten sich vielleicht die Frage stellen: Wie kann ich konsequenten Klimaschutz in meinem Einflussbereich verankern? Denn da geht mit Blick auf das Pariser Klimaziel noch einiges! Die ökologische Notwendigkeit, aber auch die gesellschaftliche Unterstützung dafür sind so stark wie nie. Ich werde mir diese Frage jedenfalls immer wieder neu stellen.

Danke Markus, dass Du Dir Zeit für uns genommen hast. Wir wünschen Dir viel Erfolg bei Deinen Vorhaben.

Ich sage danke, es war eine gute Zeit bei der KEA-BW. Und ich freue mich, dass wir weiter gemeinsam für den Klimaschutz eintreten.

Weiterführende Links:

Hochschule Konstanz Technik Wirtschaft und Gestaltung

European Energy Award

KEA-BW Kompetenzzentrum Contracting

Tags: Nachhaltige Berufe