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Energiepolitisches Forum: „10 Jahre bis 2030 – Wie nehmen wir die Menschen bei der Energiewende mit?“

Das Energiepolitische Forum 2019 (Foto: ZSW)

Rund 120 Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Verbänden und Freiberuflern folgten am 4. Juni 2019 der Einladung des ZSW und der KEA-BW zum diesjährigen Energiepolitischen Forum im Haus der Geschichte in Stuttgart. Die von Frank Ulmer moderierte Veranstaltung trug den Titel „10 Jahre bis 2030 – Wie nehmen wir die Menschen bei der Energiewende mit?“

Staatssekretär Dr. Andre Baumann gelang es in seinem einführenden Grußwort, persönliche Betroffenheit zu erzeugen, indem er die Folgen, aber auch die Unterschiede zwischen einer Erderhitzung um 1,5 Grad Celsius oder 2 Grad Celsius aufzeigte. Er hob die entsprechende Bedeutung wirksamer Klimaschutzmaßnahmen hervor und stellte zudem seine Wahrnehmung in den Raum, dass die Zivilgesellschaft bereits weiter als die Politik sei und die im Veranstaltungstitel gestellte Frage daher umgedreht werden müsse: „Wie nehmen wir die Politik mit?“ Der Geschäftsführer der KEA-BW, Dr. Volker Kienzlen und das geschäftsführende Vorstandsmitglied des ZSW, Prof. Dr. Frithjof Staiß, zeigten in ihrem nachfolgenden Vortrag den aktuellen Stand der Energiewende und der Klimaschutzbemühungen in Deutschland und Baden-Württemberg und insbesondere Handlungsmöglichkeiten in den auch auf Landesebene adressierbaren Sektoren Wärme und Verkehr auf. Grundlegende Bedeutung sprachen sie der von vielen Seiten geforderten Einführung einer CO2-Bepreisung zu, die gemäß einer von ihnen zitierten Umfrage des IASS, Potsdam, von drei Vierteln der Bevölkerung akzeptiert würde, sofern die Belastung auf anderem Weg ausgeglichen würde.

Jutta Niemann, die energiepolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, wies in ihrem Statement darauf hin, dass das Gebäudeenergiegesetz (GEG) im Wärmesektor oder die entscheidenden Rahmenbedingungen für eine notwendige deutliche Verlagerung des motorisierten Individualverkehrs auf die Verkehrsmittel des Umweltverbundes nur auf Bundesebene gesetzt werden könnten. Gernot Gruber von der SPD wollte in den jüngsten Wahlergebnissen hingegen keine eindeutigen und breit getragenen Handlungsaufträge an die Politik erkennen. Insbesondere Forderungen an die Bundespolitik wies er als „platt“ und „zu einfach“ zurück, solange selbst wohlhabende private Hausbesitzer nicht in deutlich höherem Umfang als bisher die energetische Sanierung ihrer Gebäude angehen würden. Paul Nemeth, der energiepolitische Sprecher der CDU, sieht innerhalb seiner Partei in der nächsten Zeit ein „window of opportunity“ für Klimaschutzmaßnahmen, vor allem im Bereich der Digitalisierung bzw. bei intelligenten Steuerungssystemen im Verkehr. FDP und AfD konnten oder wollten keine Teilnehmer zur Veranstaltung entsenden. Linus Kaminski, der als Mitglied des Jugendbeirats der Nachhaltigkeitsstrategie Baden-Württemberg und damit Vertreter der jüngeren Generation auf dem Podium saß, machte deutlich, dass Deutschland trotz seiner sehr guten Voraussetzungen seine frühere internationale Vorreiterrolle im Klimaschutz inzwischen verloren habe und forderte mehr Mut und Gestaltungswillen der Politik ein.

Alle Sprecher waren sich einig, dass – auch angesichts der bei anhaltendem Misserfolg im Nicht-Emissionshandelsektor drohenden Ausgleichszahlungen in Milliardenhöhe – die stufenweise Einführung einer CO2-Bepreisung eine sinnvolle Maßnahme darstellen würde. Die Möglichkeiten ihrer Ausgestaltung, auch hinsichtlich unterschiedlicher Sensitivitäten in den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr, sowie Umfang und Art einer adäquaten Entlastung der Bürgerinnen und Bürger an anderer Stelle müssten dabei allerdings im Detail untersucht werden. Insbesondere müsse eine hohe Sozialverträglichkeit sichergestellt und auch die Kommunikation der Maßnahme entsprechend gestaltet werden. Auf Landesebene wurde für den Wärmebereich zum einen große Hoffnung in die im Rahmen der laufenden Fortschreibung des Klimaschutzgesetzes vorgesehene Pflicht einer systematischen Wärmeplanung für alle größeren Kommunen gesetzt. Zum zweiten wurde eine differenzierte Verschärfung des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes (EWärmeG) mit dem Ziel, dessen Wirksamkeit zu erhöhen, als im Weiteren anzugehende Maßnahme identifiziert. Für den Verkehrssektor fanden die vier vom Verkehrsministerium für 2030 öffentlichkeitswirksam propagierten Ziele grundsätzliche Unterstützung, besonders hervorgehoben wurde dabei eine größtmögliche Stärkung des ÖPNV in allen Belangen.

Das durch Fragen und Kommentare in die Diskussion einbezogene Publikum zeigte sich an einigen Stellen wenig überzeugt von den Ausführungen der Parteivertretungen und dem wahrnehmbaren Gestaltungswillen der Politik. Mit Bezug auf diese skeptische Haltung wies der Moderator abschließend auf die für alle Bürgerinnen und Bürger gegebene Möglichkeit hin, eigene konstruktive Maßnahmenvorschläge in die im Juni laufende Fortschreibung des Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzepts (IEKK) des Landes einzubringen.