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Lebendig und intensiv: Nachlese zum Kommunalen Klimakongress am 20.+21. Mai in Ulm + Livestream

Die neue Umweltministerin Thekla Walker bezeichnete den Klimaschutz in ihrem ersten öffentlichen Auftritt als „absolut wichtigstes Thema“ der beginnenden Legislaturperiode. (Foto: Umweltministerium BW, Martin Stollberg)

„Jeder Cent, den wir heute in die Klimaschutzpolitik investieren,
wird sich später um ein Vielfaches auszahlen“

Kommunaler Klimakongress 2021 in Ulm: Mehr als 300 Teilnehmende verfolgten das von Natasha Walker sachkundig moderierte Programm im Livestream, einige Referierende sowie kommunale Preisträger konnten sogar vor Ort zugegen sein.Der Lebendigkeit der Veranstaltung tat die elektronische Hürde keinen Abbruch. Die Ehrung der Preisträger des European Energy Awards (eea) vor Ort ließ die neue Umweltministerin Thekla Walker sich nicht nehmen. Mit Abstand übergab sie die Urkunden an die stolzen Vertreterinnen und Vertreter der 26 Städte, Gemeinden und Landkreise. Intensiv gerieten auch die fünf Foren am Nachmittag. Die Referierenden befassten sich mit den vielfältigen Möglichkeiten für Kommunen, aktiv und strukturiert Klimaschutz zu betreiben oder Inhalte verständlich und Empfänger-konform zu kommunizieren. Außerdem gab es Tipps, wie Städte und Gemeinden sich auf Veränderungen vorbereiten können, die der Klimawandel mit sich bringt. Bereits am Vorabend des Kongresses stellten sich lokale Akteure und Aktivistinnen aus Ulm und Neu-Ulm in einem Videoclip vor. ARD-Wettermann Sven Plöger stimmte die Zuhörenden auf den Klimawandel ein und lieferte aktuelle Daten, Fakten und Einschätzungen.Veranstalter des Kongresses waren das Umweltministerium Baden-Württemberg, die Stadt Ulm sowie das Donaubüro Ulm/Neu-Ulm. Finanziell unterstützt wurde die zentrale Statusbestimmung des kommunalen Klimaschutzes im Land von der Baden-Württemberg Stiftung.

Alle Präsentationen zum Download unter https://www.kea-bw.de/klimakongress

Markt der Möglichkeiten

Digital und doch hautnah – dass sich das nicht per se gegenseitig ausschließt, bewies der Kommunale Klimakongress in Ulm am 20. und 21. Mai 2021. Anstelle des live vor Ort angedachten „Markts der Möglichkeiten“ stellten sich bereits am Vorabend die lokalen Klimaschutz-Gruppen und -Organisationen in einem kurzfristig entstandenen Video-Clip in wenigen Minuten mit viel Herzblut vor: Gemeinwohlökonomie, Haus der Nachhaltigkeit, Jugend aktiv, Klimacamp von Fridays4Future und Greenpeace, Stadtgärtnern Ulm oder Parents4Future, um nur einige zu nennen. Die grundlegende Lebensüberzeugung vieler Klimaschutz-Aktiven, dass weniger mehr sein kann, bewies sich hier: wenig Kulisse und Requisite, dafür viel Information und eine beeindruckende innere Überzeugung.

"Zieht euch warm an, es wird heiß!"

Herzblut lag auch in Sven Plögers Worten. Er ließ keinen Zweifel daran, dass der Klimaschutz 2020 das zentrale politische Thema gewesen wäre, hätte nicht ein anderes die Welt beschäftigt. Bisherige Vorhersagen seien eingetroffen, so Plöger: „Beispielsweise waren zwischen Januar 2018 und April 2021 29 Monate trockener und nur elf nasser als das Mittel“, sagte er. Er betonte, dass die Folgen des Klimawandels kaum unterschätzt werden könnten. So sei die Stadt Berlin zum Ende der letzten Eiszeit vor 11.000 Jahren von einer 500 Meter dicken Eisschicht bedeckt gewesen. Die Temperatur habe damals im weltweiten Mittel um vier Grad unter der heutigen gelegen. Ebenso werde eine drei, vier oder fünf Grad wärmere Welt, auf die wir derzeit zusteuerten, nach allen wissenschaftlichen Erkenntnissen eine grundlegend und bedrohlich andere sein, so der Meteorologe. „Sollte die Temperatur bis 2100 um 3,5 Grad Celsius steigen, werden zehnjährige Dürren in Europa Normalität werden“, prognostizierte er, „und Starkwetterereignisse bis dahin bereits deutlich zunehmen“.

Situation und Ausblick aus Sicht des Landes

Mit Spannung wurde am Kongresstag die Rede der neuen Landesumweltministerin Thekla Walker MdL erwartet. Sie bezeichnete den Klimaschutz in ihrem ersten öffentlichen Auftritt als „absolut wichtigstes Thema“ der beginnenden Legislatur­periode und unterstrich auch die Bedeutung der Kommunen. „Wir wollen Baden-Württemberg zu einem Klimaschutzland machen und streben bis 2040 die Klimaneutralität des Landes an“, sagte sie. „Wir alleine werden den Klimawandel nicht aufhalten können. Aber wer soll voranschreiten, wenn nicht das Land Baden-Württemberg? Jeder Cent, den wir heute in die Klimaschutzpolitik investieren, wird sich später um ein Vielfaches auszahlen.“

Inspirierender Blick nach Vorarlberg

Gregor Sellner vom Energieinstitut Vorarlberg schlug in seiner Keynote den Bogen zum kommunalen Klimaschutz. Er zeigte vielfältige und anschauliche Beispiele für entsprechende Aktivitäten von Kommunen in seinem Bundes­land auf. Vision sei, im Jahr 2050 die Energie­autonomie zu erreichen.

15 Jahre European Energy Award in Baden-Württemberg

Kern des Kongresses war die Verleihung des European Energy Award (eea) an 26 baden-württembergische Kommunen. Acht von ihnen erhielten die Auszeichnung, mit der systematische Klimaschutzbemühungen von Kommunen honoriert werden, in Gold. Umweltministerin Thekla Walker überreichte die Label den anwesenden Vertreterinnen und Vertretern gemeinsam mit der Geschäftsführerin des Städtetags Baden-Württemberg und Präsidentin des europäischen eea-Trägervereins, Gudrun Heute-Bluhm. Die Umweltministerin wies darauf hin, dass Baden-Württemberg beim eea dank kontinuierlicher Förderung den Spitzenplatz im Bund innehabe. Sara Moltmann von der Bundesgeschäftsstelle European Energy Award belegte dies auch zahlenmäßig durch die Verwendung einer neuen Einheit: So hätten die Kommunen im Land inzwischen 1200 eea-Jahre angesammelt.

Perspektiven aus der Bundesebene, der Stadt Ulm und dem Donauraum

Sven Reinhardt vom Bundesumweltministerium in Berlin kündigte zu Beginn des Nachmittags eine erneute Novellierung der Kommunalrichtlinie an und stellte sich auch einigen kritischen Fragen der Teilnehmenden, die vor allem auf bürokratische Hürden, mögliche inhaltliche Verbesserungen sowie Widerstände aus anderen Ressorts und Einflussgruppen abzielten. Der Oberbürgermeister von Ulm, Gunter Czisch, sowie Umwelt­bürgermeister Tim von Winning berichteten über vielfältige Aktivitäten der (vor allem Wissenschafts-)Stadt Ulm, zum Beispiel im Bereich der Wasserstoff-Forschung. Der Kongress lebte auch die internationale Bedeutung des Themas vor: Aktiv zugeschaltet waren der deutsch­sprachige Oberbürgermeister von Temeswar (Rumänien), Dominic Fritz, und die Vizebürgermeisterin von Budapest (Ungarn), Kata Tüttö. Beide lobten in ihren Grußworten die Zusammenarbeit in Sachen Klimaschutz und Klima­folgen­anpassung im Donauraum.

Fachforen am Nachmittag

Ausreichend Zeit gab es mit jeweils bis zu drei Stunden für die fünf parallelen Foren am Nachmittag:

Im Forum 1 zeichnete die Geschäftsführerin des baden-württembergischen Städtetags, Gudrun Heute-Bluhm, insgesamt 21 Kommunen mit dem Kom.EMS-Label für die erfolgreiche Einführung eines systematischen Energiemanagements aus. Dieses Instrument ist inzwischen zum nahezu bundesweiten Standard avanciert. Es kann als erster Schritt in Richtung einer klimaneutralen Verwaltung gesehen und mit großen Synergien auch von kleineren Kommunen im Konvoi implementiert werden. Das Land fördert künftig Personal- und Sachmittel.

Forum 2 widmete sich dem Klimawandel und der notwendigen Anpassung von Kommunen. Referierende der Landesanstalt für Umwelt (LUBW) stellten dabei vor allem die zur Verfügung stehenden Instrumente und Fördermöglichkeiten sowie das neue Kompetenzzentrum Klimawandel und Anpassung vor. Ein wichtiges Ziel sei, die Farbe Grau in Städten durch Grün, Blau und Beige zu ersetzen: mehr Grün in Form von an das heißere Klima angepassten Baumarten, die für Schatten sorgen, mehr Blau (Wasser) durch Regenwasser speichernde Dachbegrünung und mehr Braun in Form von Holzbauten, die CO2 lange speichern.

Energetische Sanierungen lassen sich auch mit kleinstem Budget mittels eines Energiedienstleisters in Form von Contracting stemmen. Wie das funktioniert, vermittelte die Projektmanagerin der Landesenergieagentur KEA-BW, Doris Andresen, in Forum 3. Dieses stellte zugleich den 15. landesweiten Contracting-Kongress dar. Der neue Baustein ProECo fördert innerhalb des Landesprogramms Klimaschutz-Plus die Entwicklung und Begleitung von Contracting-Projekten; Anträge dafür können ab sofort gestellt werden. Referierende aus den Gemeinden Meißenheim und Mauer sowie aus Bosnien-Herzegowina veranschaulichten zum einen die Bandbreite, zum anderen auch die Potenziale des marktwirtschaftlichen Instruments Contracting, das sowohl für die Entwicklung von Wärmenetzen als auch bei Gebäudesanierungen oder bei der Modernisierung der Straßen­beleuchtung eingesetzt werden kann.

Im Forum 4 zum Klimaschutz im Verkehr wurde deutlich, dass es neben klaren Kompetenzen und lokalen Kooperationen vor allem positive Zukunfts­bilder braucht, um neue, nachhaltige Mobilitäts­lösungen zuerst in die Köpfe der Menschen und dann in die Umsetzung zu bringen. Im Rahmen einer regen inter­aktiven Beteiligung gaben die Befragten zum Beispiel der Stadt Tübingen gute Chancen, sich beim Thema Radverkehr zum „Kopenhagen des Südens“ zu entwickeln. Flankierend wurden die Beratungs­angebote des Kompetenznetzes Klima Mobil sowie die umfassenden Fördermöglichkeiten des Landes­gemeinde­verkehrs­finanzierungs­gesetzes (LGVFG) vorgestellt.

Forum 5 diskutierte Fragen der Klimaschutz-Kommunikation: Wie kann Kommunikation den gesellschaftlichen Wandel befördern, der für eine Zukunft deutlich unter zwei Grad Temperaturanstieg (Pariser Klimaabkommen) notwendig ist? Im Zentrum standen neue Forschungsergebnisse und innovative Lösungsansätze für eine handlungs- und politikwirksame Klimaschutz-Kommunikation. Dass Klimakommunikation eine wichtige Herausforderung im kommunalen Klimaschutz ist, zeigte Ursula Rubenbauer von der KEA-BW in ihrem Einführungsvortrag „Vom Wissen zum Handeln kommen“. Den Teilnehmenden gab sie Impulse für eine handlungswirksame Kommunikation mit auf den Weg. Prof. Dr. Maike Sippel von der Hochschule Konstanz (HTWG) referierte zum Thema #climatechallenge – gesellschaftlicher Wandel mit Hand und Fuß. Dr. Andreas Weber stellte flankierend das Engagement der BW Stiftung im Bildungsbereich dar und Linda Ammon präsentierte die Ergebnisse des Projekts „Dialog Klimaschutz und Klimagerechtigkeit“. Ergänzt wurden die Vorträge von Beiträgen der „Key Listenerin“ Tatjana Muñoz.

Der Kongress, dem auch zum Ende hin noch mehr als 200 Teilnehmende beiwohnten, endete zwar ohne gemeinsamen Abschluss, aber mit der Erkenntnis, dass die Bedrohungen des Klima­wandels von den Kommunen erkannt werden. Unter Beteiligung aller maßgeblichen Gruppen sowie mit Förderung von Bund und Land engagieren sich die Kommunen im Land massiv und zunehmend systematisch für den Klimaschutz vor Ort.

Alle Präsentationen zum Download unter https://www.kea-bw.de/klimakongress