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Nachhaltige Berufe Folge 8: Sophie Luz forscht zu in Bauwerken integrierter Photovoltaik und schätzt alte Baustoffe

junge Frau lächelt in die Kamera

Sophie Luz forscht bei der Architektenkammer Baden-Württemberg zu bauwerksintegrierter Photovoltaik. (Foto: Architektenkammer BW)

Nachhaltige Berufe

Eine Serie der KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA-BW)

Professionell für den Klimaschutz arbeiten: Das wünschen sich inzwischen viele (junge) Menschen. Wie groß das Spektrum auf Nachhaltigkeit ausgelegter Berufe ist, möchte die KEA-BW mit ihrer Serie „Nachhaltige Berufe“ zeigen. Interviewpartnerinnen und -partner aus ganz unterschiedlichen Branchen erzählen, wie sie zu Ihrer aktuellen Tätigkeit kamen.

Folge 8:

Sophie Luz forscht bei der Architektenkammer BW zu bauwerkintegrierter Photovoltaik:

„Die Verwendung von Photovoltaik-Modulen als Dachziegel lohnt sich schon heute“

„Alte Baumaterialien sind in Vergessenheit geraten,“ sagt Sophie Luz. Sie ist Jahrgang 1987 und erforscht bei der Architektenkammer Baden-Württemberg, wie sich Photovoltaik in die Gebäudehülle integrieren lässt. In unserem Interview erzählt sie, wie sie als Zwölfjährige zu Hause mit nachhaltigen Baustoffen in Berührung kam, von den Abfallbergen der Baubranche und der Zukunft des Architektenberufs.

KEA-BW: Sie haben Architektur studiert. Was hat Sie an diesem Fach besonders fasziniert und wie kam es dann zu ihrer Berufswahl?

Sophie Luz: Ich hatte schon als Kind eine große Leidenschaft für Gestaltung. Das liegt in der Familie. Mein Vater hat als Maschinenbauingenieur mit vielen verschiedenen RohstoffenM experimentiert und auch mein Opa war handwerklich sehr begabt, vor allem in der Holzbearbeitung. Ich habe mich bereits da für Gebäude und deren Gestaltung interessiert. Da fiel mir die Wahl nach dem Abitur Architektur zu studieren nicht besonders schwer.

Nach einer Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der technischen Hochschule und der Uni Stuttgart forschen Sie nun für die Architektenkammer Baden-Württemberg zu bauwerkintegrierter Photovoltaik. Was reizt Sie besonders an dieser Arbeit?

Auch hier würde ich sagen ist das Interesse familiär begründet. Mein Vater war ebenfalls in der Forschung tätig und hat seine Projekte zu nachwachsenden Rohstoffen mit nach Hause gebracht. So bin ich mit nachhaltigen Materialien in Berührung gekommen. Dieses Interesse hält bis heute an. Besonders die Vielfalt und Verwendung von natürlichen Baustoffen faszinieren mich. Die Architektur ist ein sehr altes Handwerk, abertrotzdem ständig im Wandel. Man ist permanent mit Veränderungen konfrontiert. An der Uni habe mich vor allem mit neuen Baumaterialien beschäftigt. In der Baubranche beherrschen Beton und Stahl den Alltag. Natürliche Materialien wie Schilf, Hanf und weitere sind zukünftig jedoch sehr spannend, da sie schnell wachsen, vielseitig einsetzbar und leichter zu recyceln sind. Diese Baustoffe sind nicht neu.Man muss sie aber, auch angesichts des Klimawandels, wieder ins Gedächtnis rufen.

Wann haben Sie sich das erste Mal mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt und was hat Sie letztlich dazu bewogen auch beruflich in diese Richtung zu gehen?

Nachhaltigkeit ist ein schwieriger und recht offener Begriff. Einen ersten Kontakt mit dem Thema Nachhaltigkeit hatte ich wiederum zu Hause. Ich erinnere mich, dass mein Vater und ich zusammen Pellets „gebacken“ haben. Da war ich etwa zwölf Jahre alt. Wir haben experimentiert und beispielsweise Pellets mit möglichst hohem Heiz- und Brennwert hergestellt. Auch wenn es mir damals nicht bewusst war, bin ich dort wahrscheinlich zum ersten Mal physisch mit „Nachhaltigkeit“ in Berührung gekommen.

Sie beschäftigen sich vorrangig mit dem Thema bauwerkintegrierte Photovoltaik. Was heißt das genau und welche Vorteile bietet ein solches Konzept?

Das Forschungsprojekt ist ein gemeinsames Vorhaben der Architektenkammer Baden-Württemberg, dem Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung BW (ZSW), der Hochschule in Konstanz (HTWG) und dem Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (Fraunhofer ISE). Bauwerkintegrierte Photovoltaik bedeutet im Wesentlichen, dass Photovoltaikelemente Bauteile der Gebäudehülle direkt ersetzen. Das spart Ressourcen. Die Module können beispielsweise als Dachziegel oder Fassadenelement verwendet werden. Neben der Stromerzeugung übernimmt das Bauelement weitere Funktion, wie beispielsweise den Witterungs-, Sonnen- oder Sichtschutz. Vor allem der Einsatz im Dachbereich lässt sich heute schon sehr gut umsetzen.

Ein großes Thema in Sachen Kilmaschutz und Baubranche ist die enorme Menge an anfallendem Müll. Wie lässt sich das Problem Ihrer Meinung nach angehen?

Müll ist insgesamtes ein Problem. Es reicht von Lebensmitteln über Kleidung natürlich auch in die Baubranche hinein. Mit Baumaterialien gehen viele achtlos um und werfen zum Beispiel Verschnitt einfach weg. Das hängt auch damit zusammen, dass trotz steigender Baukosten viele Materialien scheinbar noch relativ günstig sind. Außerdem kommt die nicht zu unterschätzende Menge an Verpackungsmüll hinzu, der für den Transport von Baumaterialien benutzt wird. Viele Dinge werden vor Ort gefertigt, auch bereits vorgefertigte Bauprodukte könnten Müll reduzieren. Es ist generell ein gesellschaftliches Umdenken beim Thema Abfall erforderlich. Zwar kann man auch in der Baubranche eine langsame Veränderung der Mentalität beobachten, die Alternativen sind jedoch noch unzureichend.

Welche Rolle spielt der Klimaschutz allgemein bei der heutigen Bauplanung?

Die Bedeutung des Klimaschutzes nimmt in der Branche immer mehr zu. Das liegt unter anderem auch an den ambitionierten Klimazielen der Kommunen und der staatlichen Förderungen, die nur noch für nachhaltige Gebäude vergeben wird. Allerding gibt es noch immer zahlreiche Hindernisse die eine nachhaltige Bauplanung sehr erschweren. Ein Beispiel ist die Vielzahl gesetzlicher Anforderungen von Schallschutz über Brandschutzbestimmungen bis hin zu Abstandsflächen, die bei einer Bestandssanierung anders als bei einem Neubau betrachtet werden müssten. Einfaches Bauen und insbesondere die Sanierung von bestehenden Gebäuden werden dadurch jedoch erschwert. Eine Vereinfachung der Bürokratie würde klimafreundliches Bauen erleichtern.

Die Baubranche ist eine der noch wenig beachteten CO2-Emittenten. Muss hier ein gesellschaftliches Umdenken stattfinden?

Ich denke ein richtiges Umdenken setzt immer bei einem selbst ein. Ich glaube die Krisen, die wir gerade erleben, können Auslöser für eine solche Veränderung sein, weil sie Druck erzeugen. Ein Umdenken braucht es auch in der Baubranche. Gebäude zu sanieren, anstatt sie abzubrechen, Baumaterialien nicht tagelang auf Autobahnen oder Schiffen zu transportieren, sondern lokal zu beziehen, das sind Punkte, die sich noch stärker etablieren müssen. Dafür wäre auch eine gesetzliche Kontrolle notwendig. Auch eine Klimaabgabe für Neubauten könnte helfen. Mit welchen Materialien ich heute Gebäude baue, so dass später umweltfreundlich rückgebaut oder recycelt werden können, ist ein weiterer Punkt.

Wie sehen Sie den Architekturberufkten in Bezug auf eine nachhaltige Entwicklung?

Unsere gebaute Umwelt nehmen wir jeden Tag wahr. Gerade unsere großen Städte sind aufgrund der Klimaerwärmung, der extrem vielen, versiegelten Flächen, immens im Wandel. Dabei braucht es Begrünung, alternative Materialien, eine direkte Energiegewinnung und Quartierskonzepte die unsere Städte der Zukunft anpassungsfähiger machen. Ich bin überzeugt, dass der Beruf des Architekten / der Architektin eine sehr wichtige Rolle spielt, um diese Herausforderungen zu meistern und Zukunft nachhaltig zu gestalten.

Welche Möglichkeiten gibt es, um eine Stadt kurz- und langfristig nachhaltiger und lebenswerter zu gestalten?

Ich lebe seit zwölf Jahren in Stuttgart und fahre täglich Rad. Man muss sagen, dass sich einiges getan hat in den letzten Jahren. Beispielsweise gibt es mehr und mehr Fahrradstraßen. Aber für eine wirklich lebenswerte Stadt braucht es meiner Ansicht nach ein autofreies Zentrum und deutlich mehr Begrünung, etwa an Fassaden oder durch Parks. Außerdem spielt angesichts des Klimawandels auch Wasser und eine entscheidende Rolle, um eine Stadt langfristig lebenswert und nachhaltig zu gestalten.

Vielen Dank für das Gespräch!

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Das Interview führte Jonathan Heink (KEA-BW) im September 2022.

Lebenslauf von Sophie Luz

2005 bis 2010: Studium Architektur an der Bauhaus Universität Weimar (M.Sc.)
2011 bis 2015: Architekturbüro id architecture, Stuttgart
2016 bis 2019: Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Hochschule für Technik Stuttgart
2019 bis 2020: Research Assistant, Universität Stuttgart, ITKE, BioMat
2020 bis heute: Architektenkammer BW, Architektur und Technik, BIPV-Initiative

Kontakt: Luz, Sophie
Architektur und Technik, Architektenkammer
Tel: 0711 2196147
sophie.luz@akbw.de

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Tags: Nachhaltige Berufe