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Folge 5: "Was wäre wenn ... ab morgen Klimaaktivisten, -politikerinnen und -skeptiker, Pessimisten und Engagierte in einen gelingenden Dialog treten würden?"

Ein visionäres Gedankenspiel mit Prof. Dr. Maike Sippel und Carolin Fraude (Fotos: privat)

In der Klimadiskussion sind viele Fronten verhärtet und Gespräche bewegen sich hauptsächlich innerhalb der eigenen „grünen“ oder „kritischen“ Filterblase. Für die tiefgreifenden Veränderungen hin zu einer zukunftsfähigen Lebensweise brauchen wir aber alle gesellschaftlichen Gruppen – und neue Wege in der Klimakommunikation. Was wäre also, wenn unsere Gespräche über das Klima erfolgreich wären – auf individueller, zivilgesellschaftlicher und politischer Ebene? Welche Voraussetzungen braucht so ein gelingender Dialog? Und was würde er hervorbringen und ermöglichen? Wie würde das unser Zusammenleben beeinflussen?

Mit der Beitragsreihe „Was wäre, wenn …“ lädt die Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA-BW) zu einem visionären Gedankenspiel ein. Nach ihren Ideen gefragt werden Fachleute, aber auch all die Expertinnen und Experten, die freiwillig für den Klimaschutz aktiv sind oder es aus beruflichen Gründen sein müssen und wollen. Ihre Ideen sollen Lust auf morgen machen, dazu animieren, optimistisch in eine klima- und menschenfreundliche Welt zu blicken. Eine wichtige Botschaft dabei ist: Klimaschutz bedeutet nicht per se Verzicht. Nachhaltigkeit und Suffizienz bergen sehr viel – neue – Lebensqualität.
 

Carolin Fraude
Erziehungswissenschaftlerin, Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung IASS, Projekt „A Mindset for the Anthropocene"; Reflexionsdialoge bei den UN-Klimakonferenzen

In meiner Vision leben wir künftig in einer Welt, in der das Klimathema und unser Leben in einem Natursystem integral betrachtet werden. Das Klima ist dann kein Umweltthema mehr, sondern Teil unseres Alltags und unseres Erlebens. Wir nehmen uns als mit den Menschen und der Natur verbunden wahr. Deshalb müssen wir nicht über die Umwelt reden, sondern wir kommunizieren mit ihr. Das ist wie in einer Familie: Wir reden ja auch mit dem Vater, der Schwester – denn wir sind Teil der Familie.

Unsere Klimakommunikation beginnt nicht erst bei den Worten: Sie entsteht aus der Verbundenheit mit der Natur und ist ein Wahrnehmungsaustausch mit ihr. Dadurch erhalten wir unmittelbar Feedback auf unser Denken und Handeln: Wir nehmen in der Zukunft nämlich viel stärker wahr, wie die Umwelt auf unser Tun reagiert. So wie wir es auch als falsch empfinden, wenn wir gegenüber Menschen übergriffig oder gewalttätig werden. Genauso würden wir künftig im ständigen Austausch mit der Natur wahrnehmen, wenn wir sie als Selbstbedienungsladen ausbeuten. Die Erde kann uns ihre Verletzlichkeit so deutlich zeigen, weil wir mit ihr in direktem Kontakt sind.

Das ist zuallererst eine Sache des Bewusstseins, bevor es um konkrete Kommunikationsformate geht. Wir werden in der Zukunft wieder eine Kultur pflegen, die viel mehr unserem eigentlichen Wesen entspricht. Alte Naturvölker hatten schöne Dialogformen, sprachen im Kreis auf Augenhöhe über das, was von Herzen kommt. Das werden wir künftig wieder kultivieren. Ebenso den Dialogprozess, den der Quantenphysiker David Bohm entwickelte und der von alten Traditionen inspiriert ist: Jeder wird gehört und spricht aus, was ihm wichtig ist. Wenn wir in einem Raum aus Sicherheit und Vertrauen viel voneinander erfahren und die Welt aus verschiedenen Blickwinkeln sehen, dann denken wir auch die Bedürfnisse und Potenziale der anderen viel besser mit und arbeiten letztlich konstruktiver zusammen.

Unsere künftige Gesprächskultur findet auf einer viel persönlicheren Ebene statt. Sie führt zu intensiverer und kreativerer Kooperation. Lösungen und Wege werden sichtbar, die unsere gewohnten Denkstrukturen nicht erschließen könnten. Auch der Klimaskeptiker hat womöglich Wichtiges beizutragen, das zu einem vollständigeren Bild und besseren Ergebnis führt. Unsere internationalen Klimaverhandlungen verändern sich auf ähnliche Weise – sie werden Teambuilding-Prozesse sein, in der alle „mitgenommen“ werden.

Wir werden in der Zukunft mit Achtsamkeit, Mitgefühl und Offenheit so viele Menschen wie möglich in solche Dialogräume einladen, auch wenn nicht alle sofort bereit sein werden, sie anzunehmen. Denn wir brauchen die kritische Masse für die globale Transformation. Und wir brauchen unterschiedliche Arten des Wissens, nicht ausschließlich wissenschaftliches – sondern auch Erfahrungswissen, kulturelles und philosophisches Wissen unterschiedlicher Denktraditionen. Wir brauchen Weisheit.
 

Prof. Dr. Maike Sippel
Hochschule Konstanz (HTWG), Fachgebiet Nachhaltige Ökonomie, derzeit Forschungssemester bei Climate Outreach Oxford; Initiatorin des Veränderungsexperiments #climatechallenge

In Zukunft werden wir Klimaschutz als eine Geschichte des gemeinsamen Handelns erzählen. Mit unseren ganz unterschiedlichen Einstellungen und Weltbildern sind wir uns doch einig über gewisse Dinge, die uns allen sehr am Herzen liegen: Unseren Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen, und für unser heutiges Zusammenleben für Gesundheit, Sicherheit und lebendige Gemeinschaften um uns herum zu sorgen. Die Klimakrise bedroht diese Werte im Kern und das bereits hier und jetzt. Deshalb nehmen wir uns gemeinsam dem Klimaschutz an – ohne dabei unsere unterschiedlichen politischen Haltungen aufzugeben.

Wenn wir in Zukunft über das Klima reden, werden wir weiterhin eine Standortbestimmung vornehmen: Wo stehen wir in der Klimakrise? Hierzu liefern uns Forscherinnen und Forscher die Fakten und erklären, warum das wissenschaftliche Handwerkszeug ihrer Arbeit unser Vertrauen verdient. Und sie werden für uns auch als Menschen mit einer Geschichte greifbar – warum sind sie überzeugt vom Klimahandeln, was sind ihre Gedanken, Hoffnungen und Sorgen zur Klimakrise und wie gehen sie damit um. Wir werden die Erkenntnis zulassen, was uns schon verloren gegangen ist, und was in Gefahr ist, und das wird uns im Herzen tief berühren.

Wir werden ehrlich darüber sprechen, wie wir dahin gekommen sind, wo wir jetzt stehen. Das wird geprägt sein von einer tiefen Dankbarkeit für den Wohlstand, den unsere Eltern und Großeltern für uns aufgebaut haben, und damit auch für die fossile Energieversorgung, die diesen Wohlstand ermöglicht hat. Wir werden trauern über das Ende des fossilen Zeitalters – und gleichzeitig hingezogen werden zu dem Positiven, das uns nun erwartet.

Unser gemeinsames Ziel wird klar sein: Wir wollen beschützen, was da ist und gleichzeitig eine gerechtere Welt gestalten. Wir wollen unseren Kindern und Enkeln keine Last aufbürden und sozialem Sprengstoff vorbeugen – und dafür wollen wir persönlich Verantwortung übernehmen, auch aus Verbundenheit mit den Menschen um uns herum. Mit welcher Vielfalt an Lösungen wir die komplexe Klimakrise meistern wollen, darüber werden wir intensiv und mit offenen Ohren diskutieren – ohne dabei die nötige Dringlichkeit, entschieden zu handeln, aus den Augen zu verlieren.

Um unser gemeinsames Ziel zu erreichen werden wir mutig Verantwortung übernehmen. Wir sind uns bewusst, dass eine Entscheidung gegen ehrgeiziges Handeln gleichzeitig eine Entscheidung für schlimme Klimaschäden ist. Ob Unternehmenschefin, Politiker, Bürgerin oder Klimaaktivist – wir bekennen Farbe und packen dort an wo wir eben sind, in unserem Beruf, im Privatleben und in unserer Freizeit. Der konsequente Schutz des Klimas ist unser moralischer Handlungsrahmen – und dabei bringt jeder das ein, was er oder sie am besten kann, sei es Kreativität und Innovation, sei es Struktur und das Einführen von Regeln. Bestärkt werden wir durch die vielen Geschichten des Gelingens, die wir um uns herum entdecken und miteinander austauschen.

Unser gemeinsames Handeln wird uns eine Antwort auf die Frage geben, wer wir eigentlich sind. Wir kümmern uns darum, dass es unsere Kinder gut haben werden. Dafür sind wir bereit heute viel Herzblut, Energie und Geld in die notwendigen Veränderungen zu stecken – und darauf können wir stolz sein!

Ausblick:

Die Klimakommunikation hat in den letzten Jahren eine Paradigmenwechsel erfahren und neue, ganzheitliche Ansätze entwickelt. Die KEA-BW informiert und motiviert kommunale Akteure zu zeitgemäßer Klimakommunikation und erprobt in ihrer eigenen Öffentlichkeitsarbeit neue Wege.

Weiterführende Informationen:

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