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"Die Gesellschaft ist bereit": Kommunaler Klimakongress brachte über 400 Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Verwaltung und der Fachwelt in Karlsruhe zusammen

Mehrere Personen stehen vor einem Anmeldetisch mit Namensschildern

Rund 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen am 17. Mai zum Kommunalen Klimakongress nach Karlsruhe. (Foto: KEA-BW)

„Klimaschutz kostet Geld – Kein Klimaschutz kostet wesentlich mehr Geld“

Nachlese zum Kommunalen Klimakongress in Karlsruhe, 17. Mai 2023

Klimaschutz kostet Geld und alle Beteiligten müssen an einem Strang ziehen, um der Klimakrise zu begegnen. Wie baden-württembergische Kommunen besser und schneller reagieren können, woher sie dafür Unterstützung bekommen und welche nachahmenswerten Projekte es bereits gibt, darüber tauschten sich rund 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer beim Kommunalen Klimakongress am 17. Mai 2023 in Karlsruhe aus. Zusätzlich waren 70 Personen digital zugeschaltet. Politikerinnen und Politiker aus Bund, Land und der Stadt Karlsruhe berichteten über Erfahrungen und Vorhaben. Nach der Verleihung des European Energy Awards (eea) an 41 Kommunen und Landkreise, verfolgten die zumeist kommunalen Teilnehmenden in vier Foren Vorträge zu aktuellen Themen und tauschten Ideen und Erkenntnisse aus. Natasha Walker moderierte die Veranstaltung mit viel Begeisterung fürs Thema.

Zugkraft aus der Politik

„Die Gesellschaft ist bereit“, berichtete Karlsruhes Oberbürgermeister und Gastgeber Dr. Frank Mentrup. Das sehe er an den zahlreichen Nachfragen bei der Karlsruher Energie- und Klimaschutzagentur KEK und an bürgerschaftlichen Projekten. Die Erwärmung durch den Klimawandel sei für die Region Oberrhein besonders hoch prognostiziert, daher habe Karlsruhe bereits viele Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt. Von der Landes- und Bundespolitik wünsche er sich Unterstützung beim Ausbau der Fernwärme, der Geothermie, der Photovoltaik und dem Wasserstoff. Hausbesitzerinnen und -besitzer, deren Immobilie ohne ihr Zutun im Wert gestiegen sein, seien gefragt, ihre Häuser jetzt zukunftssicher zu machen und zu investieren.

Da die Extremwetterereignisse der vergangenen Jahre rund 80 Milliarden Euro volkswirtschaftlichen Schaden verursacht haben, sei es wichtig, Klimaschutz und Klimaanpassung gleichermaßen voranzubringen, sagte Dr. Franziska Brantner. Die Parlamentarische Staatssekretärin aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) forderte die Kommunen dazu auf, ihre Wünsche und Vorschläge hinsichtlich der gesetzlichen Rahmenbedingungen schriftlich einzureichen, denn sie seien „die Experten vor Ort“. Fördergelder aus der Klimaschutzinitiative und ein Startkapital für Bürgerenergiegenossenschaften seien wichtige Elemente. Das Ministerium bemühe sich zudem um die Beschleunigung zu langer Antragsfristen und Vereinfachung der Antragsstellung.

Das beschleunigte Tempo Baden-Württembergs im Klimaschutz hob Umweltministerin Thekla Walker hervor. Jeder Sektor wie etwa die Industrie, Energiewirtschaft oder der Verkehr müsse seinen Beitrag leisten, das sei „kein Verschiebebahnhof“, unterstrich die Ministerin. Die Landesregierung überprüfe dies. Neues gebe es zum Thema Erneuerbare Energien: Die neue zentrale Anlaufstelle des Landes „Erneuerbare BW“ soll bei der KEA-BW den Ausbau in Kommunen voranbringen. Auch die Geothermie habe Nachholbedarf. Zum Thema Wasserstoff laufe eine Abfrage zum Bedarf im Land. Hier gehe es nicht um „entweder Wasserstoff oder Ausbau der Erneuerbaren“, sondern um ein „sowohl als auch“. Als eines ihrer „Top-Themen“ nannte Thekla Walker die kommunale Wärmeplanung und die Unterstützung kleinerer Kommunen dazu.

Als „älteste wirklich verankerte Auszeichnung“ hob Gudrun Heute-Bluhm als Präsidentin des internationalen Vereins European Energy Award (eea) das Klimaschutz-Werkzeug für Kommunen hervor. Das System eea sollte „von oben herab“ etabliert, also seitens der Bundes- und Landesregierung beworben und eingefordert werden. In einem „Marathon“ verlieh Umweltministerin Walker insgesamt 41 Kommunen und Landkreisen den eea, elf von Ihnen erhielten Gold. Letztere hatten die Gelegenheit, ihre thematischen Highlights in anderthalb Minuten vorzustellen.

Feinarbeit in den Foren

Wie Kommunen Klimaschutz erfolgreich anpacken können, war eines der Themen am Nachmittag. Prof. Dominik Düber von der Hochschule Darmstadt forderte in seinem Vortrag mutiges Handeln. Aus den zahlreichen Rollen der Kommune etwa Verbraucherin und Vorbild zu sein, zu versorgen, zu regulieren, zu beraten und zu motivieren leitete er Handlungsschritte ab: Klare Ziele und Verantwortlichkeiten, Eigeninitiative, Kreativität und Innovation fördern, schulen und fortbilden, Entscheidungsfindung unterstützen. „Klimaschutz kostet Geld – Kein Klimaschutz kostet wesentlich mehr Geld“, so Düber.

Wie sich mit Förderungen eine klimaneutrale Zukunft gestalten lässt, erläuterte Matthias Rauch von der KEA-BW. Der Projektmanager aus dem Bereich Grundsatzfragen und Förderprogramme führte aus, wie Kommunen zum Beispiel auch durch den entsprechenden politischen Rahmen, Beratungsstellen und Strukturen im Klimaschutz unterstützt werden können. Dies geschehe bewusst im „Spannungsfeld zwischen Fordern und Fördern“: So können Förderprogramme Kommunen befähigen, die im Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz verankerten Klimaschutzziele zu erreichen. Bei der Suche nach der passenden Unterstützung helfen die Förderdatenbank der KEA-BW oder der Förderkompass des BMWK.

Ragnar Watteroth, Dezernent für Finanzen, Landratsamt Karlsruhe gab den Anwesenden zusammen mit Birgit Schwegle, Umwelt- und Energieagentur Kreis Karlsruhe, einen Einblick in die gemeinsamen Aktivitäten des Landkreises Karlsruhe, der Energieagentur und der Kommunen. Der 2022 gegründete Klimaschutzverein etwa soll Ausschreibungsverfahren beschleunigen. Projekte wie der Solaratlas, Energiequartiere oder das On Demand-Verkehrsangebot „MyShuttle“ seien einige von zahlreichen Klimaschutzmaßnahmen.

„Wie im Flug“ verging die Zeit laut einem Teilnehmer beim Themenforum zur Klimafolgenanpassung. Ob Kommunen gewappnet sind und welche Perspektiven sie haben, stand hier im Mittelpunkt. Was der Klimawandel kostet und welche gesundheitlichen Folgen Hitze und Dürre haben können, präsentierte Prof. Dr. Jesko Hirschfeld (Institut für ökologische Wirtschaftsforschung IÖW) dem Auditorium: Von 2018 bis 2021 seien die Schadenskosten von Klimakatastrophen zum Vergleichszeitraum von 2000 bis 2021 drastisch angestiegen. In Deutschland gebe es heute im Schnitt 100 Mal mehr Todesopfer durch Hitze und Dürre zu beklagen als durch Sturzfluten.

Konzepte zur Anpassung an den Klimawandel zu evaluieren und auf andere Städte zu übertragen, schlugen Dr. Ellinor von der Forst und Dr. Meike Widdig (Kompetenzzentrum Klimawandel der LUBW)  in ihrem Beitrag vor. Kommunen sollten auf so genannte blau-grüne-Maßnahmen – also Wasser und Stadtgrün – fokussieren. Noch weiter ging der Vorschlag von Dr. Daniel Osberghaus (Stadt Karlsruhe), der Bevölkerung einen „Stadtplan für heiße Tage“ zur Verfügung zu stellen – in Karlsruhe bereits geschehen. Dieser zeigt, wo es kühle Orte in der Nähe gibt. Dr. Axel Albrecht (Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg FVA) zeigte anschließend auf, wie die Suche nach geeigneten Baumarten im Klimawandel ablaufen kann.

Den ersten Statusbericht Nachhaltige Mobilität für Baden-Württemberg stellte Richard Kaum vor, Leiter des Bereichs Nachhaltige Mobilität der KEA-BW. Ziel des Berichts ist die vergleichende Bewertung des Transformationsprozesses hin zur Verkehrs- und Mobilitätswende. Er betrachtet die Entwicklung in 44 Stadt- und Landkreisen sowie den vier Großen Kreisstädten Konstanz, Ludwigsburg, Reutlingen und Tübingen. Themen sind der Klimaschutz im Verkehr, Verkehrssicherheit, Lärmschutz und gerechte Flächenverteilung. Im gleichen Forum stellte Verkehrsplanerin Catherine Schupp das Vorhaben der Stadt Ravensburg vor, in Altstadt und Bahnstadt künftig Tempo 20 einzuführen. „Eine Stadt, ein Ticket, ein Euro“ - Oliver Bock, Leiter des Tuttlinger Stadtplanungsamtes berichtete, dass der ÖPNV-Anteil durch den Stadttarif in rund vier Jahren um 240 Prozent gestiegen sein. Auf 13 Mobilitätspunkte für klimafreundliche Fortbewegung setzt Leinfelden-Echterdingen, wie Andrea Egner, Leiterin des Amtes für Umwelt, Grünflächen und Tiefbau beschrieb.

Abschlussplenum: Ausgewählte Teilnehmerinnen und Teilnehmer fassten zusammen

Die guten Beispiele für kommunalen Klimaschutz, etwa das Ziel des Landkreises Karlsruhe, 2035 klimaneutral zu sein, beeindruckten Carlos Pusch von German Zero in Forum 1. Er wünscht sich, dass NGOs und Kommunen noch mehr Hand in Hand arbeiten.

Das Tool für Energiemanagement Kom.EMS, das die Landesliegenschaften nun einsetzen, interessierte Franziska von Andrian-Werburg besonders. Die Leiterin des Umweltamts Stadt Karlsruhe nahm aus Forum 2 mit, dass große und kleine Kommunen zwar unterschiedliche Herausforderungen beim Energiemanagement haben, es letztlich jedoch um die gleichen Maßnahmen und Tools geht. Die Kosten dafür refinanziere man  mit Einsparungen beim Energieverbrauch.

Den neuen Statusbericht Nachhaltige Mobilität hob Christoph Erdmenger, Abteilungsleiter Nachhaltige Mobilität im Verkehrsministerium, hervor. Anhand von 15 Indikatoren erhob die KEA-BW, wo Kommunen im Land stehen. Mut machten ihm gute Beispiele, wie auch unbequeme Maßnahmen erfolgreich umgesetzt werden können, etwa indem sie mit einem attraktiven Angebot kombiniert werden (Forum 3).

Die Zahlen des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung zu Schäden durch den Klimawandel fand Stephanie Lorenz besonders eindrücklich. Rund 145 Milliarden Euro waren es in den letzten 20 Jahren in Deutschland – davon allein 80 Milliarden in den letzten fünf Jahren, erfuhr die Geschäftsführerin von Klima Plus und Koordinatorin des LoKlim Projektes. Auch die Karte, auf der kühle Orte in Karlsruhe in Hitzeperioden sichtbar sind, interessierte sie.

Ein Wort zum Schluss

In der Abschlussdiskussion forderte Dr. Svea Wiehe aus dem baden-württembergischen Umweltministerium, den Klimaschutz in die Fläche der 1.101 Baden-württembergischen Kommunen zu bringen – und dabei die Kleinen mitzunehmen. Die Referatsleiterin Klimawandelanpassung, Kommunaler Klimaschutz hob die wichtige Rolle der regionalen Energieagenturen und Landkreise sowie der Förderungen und des Bürokratieabbaus hervor.

Auf das weltweit größte Unterstützernetzwerk regionaler Energieagenturen wies auch Dr. Volker Kienzlen, Geschäftsführer der KEA-BW, hin. Er setze zudem auf die Entschlossenheit der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, den Klimaschutz anzustoßen und voranzutreiben. Die Arbeitsebene sei dann für die Umsetzung ebenfalls entscheidend.

https://www.kea-bw.de/kommunaler-klimakongress-2023