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Nachhaltige Berufe Folge 10: Dr. Frank Musiol will Vogelschutz und Windenergie auf einen Nenner bringen

Mann lächelt in die Kamera

Dr. Frank Musiol (Foto: ZSW)

Eine Serie der KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA-BW)

Professionell für den Klimaschutz arbeiten: Das wünschen sich inzwischen viele (junge) Menschen. Wie groß das Spektrum auf Nachhaltigkeit ausgelegter Berufe ist, möchte die KEA-BW mit ihrer Serie „Nachhaltige Berufe“ zeigen. Interviewpartnerinnen und -partner aus ganz unterschiedlichen Branchen erzählen aus Ihrem Arbeitsalltag und wie sie zu Ihrer aktuellen Tätigkeit kamen.

Folge 10:

„Akzeptanz in der Bevölkerung ist der Schlüssel zum Klimaschutz“

Dr. Frank Musiol

„Das Thema Energie war bei uns allgegenwärtig, der Umweltschutz zunächst nicht unbedingt“, sagt Dr. Frank Musiol. Geboren 1966, leitet er heute die Naturschutzforschung im Bereich Windenergie des Zentrums für Sonnenenergie und Wasserstoffforschung Baden-Württemberg (ZSW). Nach seinem Studium der Chemie widmete er sich den erneuerbaren Energien. Er arbeitete unter anderem für den NABU und beriet die Bundesregierung. Heute leistet er mit seiner Forschung einen wichtigen Beitrag, um Naturschutz und Windkraft zusammenzubringen. Im Interview erzählt er, warum er bei den Erneuerbaren landete, welche Ergebnisse seine Forschung bis jetzt erzielte und was Klimaschutz privat für ihn bedeutet.

KEA-BW: Herr Musiol, Sie sind seit vielen Jahren als Wissenschaftler für den Bereich Umwelt- und Klimaschutz tätig, insbesondere im Bereich der erneuerbaren Energien. Wurde Ihnen Ihr Interesse dafür in die Wiege gelegt?

Dr. Frank Musiol: Ich bin im Braunkohlerevier Helmstedt aufgewachsen. Mein Vater arbeitete im Kraftwerk. Das Thema Energie war bei uns daher allgegenwärtig, der Umweltschutz zunächst nicht unbedingt.

Sie haben dann Chemie studiert. Wer oder was brachte Sie auf den Weg zu den erneuerbaren Energien?

Das erste Stück Weg gewiesen hat mir Ende der 80 Jahre zunächst ein Buch. Es hieß „Die gespeicherte Sonne“. Großen Einfluss übte außerdem mein späterer Doktorvater auf mich aus. Er war Professor für physikalische Chemie und animierte uns dazu, darüber nachzudenken, was wir tun. In seiner Forschungsgruppe für angewandte Elektrochemie beschäftigte ich mich mit Wasserstofferzeugung und Speichersystemen. In der Nähe meines Studienortes Braunschweig befand sich zudem der Schacht Konrad, in dem Atommüll endgelagert werden sollte. Das hat mich auch als Wissenschaftler auf den Plan gerufen und ich unterstützte im Genehmigungsverfahren Umweltverbände und war bei Demonstrationen dabei. Auch dieses Erlebnis trug zu meiner Entscheidung bei, mich ganz den erneuerbaren Energien zu widmen. Das Thema ließ mich seither nie wieder los.

Sie arbeiteten zwischenzeitlich auch als wissenschaftlicher Mitarbeiter einer Bundestagsabgeordneten und waren dann beim NABU beschäftigt, dem Naturschutzbund Deutschland. Welche Aufgaben hatten Sie dort?

Aufgrund meiner Vorkenntnis betreute ich beim NABU zunächst das Thema Atomkraft und begleitete den Atomausstieg der ersten rot-grünen Bundesregierung. Später wechselte ich wieder in den Themenbereich Erneuerbare. Schon damals übrigens wurde mir bewusst, wie anstrengend es ist, Klimaschutz durchzusetzen. Es gab und gibt ganz unterschiedliche Widerstände, zum Beispiel auch von Naturschützern.

Nun haben Sie sich beim ZSW der Aufgabe angenommen, die Windkraft und den Vogelschutz auf einen Nenner zu bringen. Was genau untersuchen Sie?

Die Forschung ist noch jung. Wir wollen auf dem Testfeld auf der Schwäbischen Alb zum Beispiel erstmals prüfen, ob sich eine verminderte Rotorgeschwindigkeit positiv auf die Unfallzahlen mit Rotmilanen auswirkt. Das könnte sich mit Hilfe von Kameras steuern lassen. Auch das Einfärben der Rotorblätter werden wir testen – möglichweise erkennen Vögel bestimmte Farben besser als weiß.

Welche Ergebnisse gibt es bisher?

Wir starteten 2017 mit dem Genehmigungsverfahren. Leider gab es auch gegen das Testfeld Widerstand von vermeintlichen Naturschützern, so dass wir erst im Herbst 2022 mit dem Anlagenbau beginnen konnten. Einige Voruntersuchungen konnten jedoch bereits stattfinden. Wir wissen inzwischen, dass Rotmilane bei uns mit einer Geschwindigkeit von durchschnittlich 30 Stundenkilometern fliegen.

Warum gibt es derartige Untersuchungen erst jetzt? Man hätte doch schon längst damit beginnen können, um die Akzeptanz für Windkraft zumindest bei den Naturschützern zu erhöhen.

Ich vermute, dass der Druck erst in den letzten Jahren hoch genug wurde. Windkraft ist eine Schlüsseltechnologie bei der Energiewende. Die Akzeptanz in der Bevölkerung ist der Kern der Sache. Wenn der Artenschutz irgendwann nicht mehr das Problem ist, dann fühlen sich viele immer noch von den Windanlagen gestört oder sehen die Landschaft verschandelt. Diese Menschen sollten sich einmal anschauen, wie Landschaft und Natur vor 50 oder 60 Jahren und sogar heute noch durch den Kohletagebau regelrecht eliminiert wurden – die Ursache ist auch hier die Energiegewinnung. Wir haben jetzt die Chance, mit der Windkraft eine saubere Technologie voranzubringen. Menschen müssen verstehen, dass es jetzt sein muss, dass es keine Alternative gibt. Ohne Klimaschutz wird auch der Artenschutz auf Dauer keinen Bestand haben.

Wichtig ist außerdem, viel mehr Wissen zu verbreiten. Solange Menschen über manche Medien oder Politiker mit falschen oder unvollständigen Informationen versorgt werden, kann sich ihre Akzeptanz für eine klimafreundliche Entwicklung nicht erhöhen. Ein aktuelles Beispiel ist die Diskussion um Verbrenner-Fahrzeuge, die nach 2035 noch mit eFuels fahren sollen. Fast niemandem ist bewusst, wie schlecht der Wirkungsgrad dieser Kraftstoffe ist.

Wie steht es bei Ihnen im privaten Bereich, was tun Sie für den Klimaschutz?

Alle Wege zur Arbeit oder Dienstreisen lege ich mit der Bahn zurück. Ich besitze seit langem eine Bahncard 100. Vor drei Jahren haben wir uns privat ein Elektroauto zugelegt. Wir haben uns darauf eingelassen, dass man damit ein bisschen mehr planen muss. Änderungen gehören dazu. Das ist immer noch zu vielen Leuten nicht klar. Oder sie fürchten sich davor und ändern deshalb nichts an ihrer Lebensweise. Wir beziehen außerdem schon sehr lange Ökostrom und essen nur wenig Fleisch – und wenn, dann ist es Bio.

Was empfehlen Sie jungen Menschen, die im Klimaschutz arbeiten wollen?

Die Ausbildungs- oder Studienwahl entscheidet letztlich nicht über den Berufsweg. Man kann aus fast allem alles machen – wie mein eigenes Beispiel als Chemiker zeigt, der sich heute um Windkraft kümmert. Wichtig ist die eigene Überzeugung.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Musiol.

 

Das Interview führten Beate Schade und Sandra Ullrich (KEA-BW) im März 2023.

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Lebenslauf Dr. Frank Musiol:

  • Studium der Chemie an der TU Braunschweig mit Diplom 1992
  • 1995: Promotion über elektrochemische Solarwasserstofftechnik
  • Anschließend zehn Jahre Referent für Klimaschutz- und Energiepolitik beim Naturschutzbund Deutschland (NABU)
  • 2006: Wechsel an das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff- Forschung (ZSW) in Stuttgart in das Fachgebiet Systemanalyse
  • 2008 – 2014: Leiter des Fachgebiets Systemanalyse am ZSW
  • Ab 2017: Leiter der Naturschutzforschung am süddeutschen Windenergietestfeld


Kontakt: Musiol, Frank
Tel. 0711 – 7870 217
E-Mail: frank.musiol@zsw-bw.de

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Tags: Nachhaltige Berufe